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topplus Wo gibt es Fortschritte?

Macht die Politik mit dem Bürokratieabbau jetzt ernst?

Seit Monaten kündigen die EU-Kommission, die Bundesregierung und die Länder den Abbau von Bürokratie in der Landwirtschaft an. Wo hat sich schon was getan und was könnte noch kommen?

Lesezeit: 6 Minuten

Welche Kosten verursacht die Bürokratie? Das fragen sich auch Landwirte, die immer mehr dokumentieren, melden und Kontrollen über sich ergehen lassen müssen. Der Normenkontrollrat, der die Bürokratiekosten in Deutschland prüft, beziffert für das Jahr 2023 den „Erfüllungsaufwand“ für Unternehmen, Verwaltung und Bürger, um bundes-­­rechtliche Vorschriften zu befolgen, auf 23,7 Mrd. €. Die Tendenz war in den letzten Jahren stark steigend.

Schnell gelesen

  • Brüssel hat bei der GAP mehrere ­Auflagen gelockert, die den Landwirten deutliche Entlastungen bringen.

  • Ob die Bundesregierung die Ver­­einfachungen umsetzt, ist noch offen. Kleine Vereinfachungen gibt es zwar, der große Wurf fehlt aber noch.

  • Bayern hat einen breit angelegten ­Bürokratieabbauprozess gestartet, erste Entlastungen umgesetzt und will den Bund zu weiteren Maßnahmen bewegen.

Experten sind sich einig, dass sich der Bürokratieaufwand mittlerweile auf einem Level befindet, der die Verwaltungen und die betroffenen Unternehmen überfordert. Bei ihren Demonstrationen haben die Landwirte das deutlich zum Ausdruck gebracht.

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Die Politik scheint das verstanden zu haben. Auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene gibt es seit Monaten Ankündigungen und Aktivitäten, die einen Abbau der Belastungen der Landwirtschaft zum Ziel haben. Was plant die Politik und gibt es schon erste Erfolge?

EU lockert Auflagen der GAP

In Brüssel haben Kommission und Parlament bereits schnell auf die Bauernproteste reagiert und erste Änderungen beschlossen, die den Landwirten Entlastung bringen werden.

So entschied das Europaparlament mit breiter Mehrheit in seiner letzten Plenarsitzung vor den Europawahlen, Auflagen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu lockern. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, eine Reihe von Standards zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) anzupassen. Durch die neuen GAP-Regeln sollen die Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bekommen. Sie könnten z. B. viel einfacher Ausnahmen für Landwirte erlassen.

Wichtigster Punkt dabei: Die Pflichtbrache von 4 % des Ackerlandes im Rahmen der GAP wird bis zum Ende der laufenden Förderperiode 2027 ausgesetzt (GLÖZ 8). Stattdessen sollen sich die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, eine Öko-Regelung zu entwerfen, die Landwirte zusätzlich zur Basisprämie entlohnt, wenn sie Flächen stilllegen oder Landschaftselemente anlegen. In Deutschland gibt es so eine Öko-Regelung bereits. Für das Erntejahr 2024 war die GLÖZ 8-Ausnahme für die Pflichtbrache schon zuvor beschlossen worden.

Streichliste im Schnelldurchlauf beschlossen

Das beschlossene Entlastungspaket enthält weitere Vereinfachungen:

  • Betriebe, die z. B. aus der Tierhaltung aussteigen, sollen einfacher Dauergrünland zu Acker umwandeln können (GLÖZ 1). In Deutschland dürfte die Regelung aufgrund des Umweltrechtes jedoch kaum zum Tragen kommen.

  • Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten ermöglichen, den Fruchtwechsel unter GLÖZ 7 weniger streng auszulegen. Landwirte sollen demnach statt eines schlaggenauen Fruchtwechsels mit einer Anbaudiversifizierung die Vorgabe erfüllen können.

  • Für die GLÖZ-Standards 5, 6, 7 und 9 (Erosionsschutz, Mindestbodenbedeckung, Fruchtwechsel, sensibles Dauergrünland) will die EU den Mitgliedstaaten kurzfristigere Ausnahmen ermöglichen – z. B. bei Extremwetter oder für bestimmte Kulturen.

  • Landwirte mit weniger als 10 ha Betriebsfläche will Brüssel komplett von Kontrollen der GAP-Auflagen befreien. Laut EU-Kommission sind das immerhin 65 % der Subventionsempfänger.

Deutschland hat sich bei der Abstimmung enthalten

Deutschland hat sich bei der Abstimmung enthalten, weil sich die Ampel nicht einigen konnte. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will jetzt in Deutschland die freiwilligen Öko-Regelungen stärken. Konkret nannte Özdemir Anfang Mai vor allem die Etablierung einer neuen Grünlandförderung. Bei der Frage, ob die bestehende Regelung für Agroforstsysteme für Betriebe bürokratisch erleichtert wird, blieb Özdemir hingegen unkonkret.

Reserviert äußerte sich der Minister gegenüber Forderungen, nun auch in Deutschland die Fruchtfolgeregeln in GLÖZ 7 zu lockern, wie es das EU-Parlament beschlossen hat.

Berlin hat bisher wenig geliefert

Im Gegensatz zu Brüssel hat Berlin in Sachen Bürokratieabbau bisher wenig geliefert. Dabei steht die Bundesregierung bei den Bauern in der Pflicht. Denn als Ausgleich für die Streichung der Agrardieselrückvergütung hat sie den Landwirten einen umfassenden Bürokratieabbau versprochen.

Die 194 Vorschläge zum Bürokratieabbau, die die Bundesländer zu Jahresbeginn eingereicht haben, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) zwar in Kategorien sortiert und Ende April auf Staatssekretärsebene mit den Ländern beraten. Ob es am Ende dabei aber zu nennenswerten Verbesserungen kommt, ist noch unklar.

Ringen um die Stoffstrombilanz

38 Vorschläge hat das BMEL ausgemacht, die es nicht weiterverfolgen will. Dazu gehören die von mehreren Bundesländern gemeinsam eingebrachten Lösungsansätze, wie die Abschaffung der Stoffstrombilanz oder die verlängerten Aufzeichnungsfristen von Düngemaßnahmen.

Aus Sicht von Ophelia Nick, Staatssekretärin im BMEL, ist die Stoffstrombilanz unverzichtbar. Die erhobenen Daten würden benötigt, um die Kommission zu beruhigen. Dem widerspricht die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Sie sagt: „Die EU-Kommission würde eine Abschaffung der Stoffstrombilanz zulassen“.

Eine Ohrmarke soll reichen

Laut BMEL sind von den 194 Vorschlägen bereits neun in Umsetzung. So soll die Vorgabe, dass Rinder, Schafe oder Ziegen nur dann förderfähig sind, wenn sie zwei Ohrmarken tragen, abgeschafft werden, weil auch beim Verlust einer Ohrmarke alle Fördervoraussetzungen erfüllt sein können. Vereinfacht werden sollen auch Formulierungen in der Anwendungsverordnung von Pflanzenschutzmitteln.

Ende April hat der Bundesrat Ver­einfachungen beim Hanfanbau, beim Nachweis des „aktiven Betriebsin­habers“ und bei der Öko-Regelung „­Extensivierung des Dauergrünlandes“ beschlossen. So sollen Hanfanbauer künftig Etiketten ihres Saatgutes in elektronischer Form einreichen können, um nachzuweisen, dass sie THC-arme Sorten anbauen. Zudem soll die generelle Pflicht zum Melden der Hanfblüte wegfallen.

Nachweis für aktive Betriebsinhaber entschlackt

Aktive Betriebsinhaber müssen den Nachweis für diesen Status jetzt nicht mehr jedes Jahr einreichen. Die Behörde kann auch Belege nun aus den vorangegangenen Jahren heranziehen. Bei der Öko-Regelung „Extensivierung des Dauergrünlandes“ hat der Bundesrat einer Bagatellgrenze von 500 m² zum Pflügen zugestimmt.

Diese Änderungen bringen zwar erste Erleichterungen. Der große Wurf beim Bürokratieabbau steht aber noch aus. Dieser soll laut Ampelfraktionen bis zum Sommer in Form eines großen Entlastungspaketes kommen. Der Erwartungsdruck seitens der Landwirtschaft und der Bundesländer ist riesig. Ob die Bundesregierung diesmal die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, ist aber alles andere als sicher.

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Warum die Bürokratie bei uns weiter zunimmt

Egal ob Wirtschaft oder Verwaltung, alle klagen in Deutschland seit Jahren über zuviel Bürokratie. Und trotzdem nehmen Auflagen und Kontrollen Jahr für Jahr weiter zu. Warum ist das so und was lässt sich dagegen tun?

Ein Spitzenbeamter eines süddeutschen Agrarministeriums sieht zwei Ursachen: Zum einen komme der Druck von der Politik, die gleichzeitig immer mehr Ziele verfolgt, die mithilfe von Gesetzen und Verordnungen umzusetzen seien. Gesetze müssten deshalb eine Art „Mikroregulierung“ erfüllen. Zum anderen komme der Druck von der Praxis: „Jeder will eine Einzelfallgerechtigkeit, weshalb es in den Gesetzen Ausnahmen über Ausnahmen gibt.“

Verwaltungsexperten bemängeln zudem, dass die meisten Gesetze keinen Praxis-Check durchlaufen müssten, bevor sie verabschiedet werden.

„Wir brauchen Leute, die anders denken."

Sie sehen auch strukturelle Ursachen für die Bürokratieflut. So sei die Durchlässigkeit der Verwaltungen in Deutschland zu gering. Fast immer müsse der lange Dienstweg vom Sachgebiet über die Abteilung bis zur Behördenleitung und wieder zurück eingehalten werden, wenn mehrere Behörden für die Lösung eines Problems zuständig sind.

Zudem beklagen Wissenschaftler, dass im Gegensatz zu den skandinavischen und angelsächsischen Ländern bei uns viel mehr verrechtlicht sei. Professor Thomas Meuche vom Institut für Wirtschafts- und Organisationsforschung an der Hochschule Hof kritisiert, dass fast alle Mitarbeiter in deutschen Verwaltungen eine juristische geprägte Ausbildung haben. Das führe dazu, dass sie vor allem  das Risiko minimieren wollen. „Wir brauchen Leute, die anders denken, ohne Scheuklappen durchgehen und kritische Fragen stellen können“, fordert Meuche.

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